Trevibrunnen

Touristen als Brunnenschänder


Eine Glosse von KARL HOFFMANN

Im Küchenlatein würde man sagen: Qod licet Eckberg non licet Touri:
Lang ist’s her, dass das blonde Busenwunder Anita mit Marcello, dem Paparazzo ihr Bad im Brunnen nahm. Dolce Vita im Rom der 60ger Jahre samt kühlem Bad im nächtlich verlassenen Trevi-Brunnen war ein genialer Kinoeinfall, allerdings nur mit behördlicher Genehmigung. Und heutzutage sind die Sitten noch strenger. Wer beim Baden im römischen Brunnen erwischt wird, zahlt inzwischen ein rundes Liremilliönchen, mehr als 1000 Mark Strafe, und die drei Unglücksraben, die jüngst bei der Abkühlung auf der weltberühmten Piazza Navona eine Brunnenfigur beschädigt haben, werden heute möglicherwiese sogar im Schnellverfahren eine Gefängnisstrafe kriegen. Unnachsichtige Gesetzesstrenge scheint das einzige Mittel zu sein, mit dem der Staat seine Kulturgüter zu schützen vermag, und das auch nur ungenügend. Denn der italienische Kunstschatz ist immens. Etwa 60 Prozent aller bedeutenden Kunstwerke der Welt befinden sich in Italien.


Es gibt dreitausend Museen, sage und schreibe 100.000 Kirchen und Kapellen, 40.000 Burgen und Schlösser, 900 historische Stadt- und Ortskerne, Dutzende von archäologischen Ausgrabungsstätten. Dort wird geklaut und gestohlen ohne Hemmungen. In alten Trümmerfeldern finden Diebe auch heute noch gefüllte Gräber aus Römer- und Etruskerzeit und verscherbeln ihre Beute. Wie umfassend und wertvoll sie ist, weiß niemand. Auch die bekannten und sichtbaren Kunstwerke lassen sich in ihrem Wert kaum einschätzen. Man nimmt an, dass allein die Gemäldesammlung der Uffizien in Florenz einen Wert von mehr als 15 Mrd Mark hat. Die Kosten für die Erhaltung und Sicherung sind enorm hoch und nicht immer ausreichend.


Eines der schlimmsten Attentate der Mafia zerstörte 1992 auch einen Teil der Uffizien. Was sich als Segen für die Kassen von Staat und Kommunen erweist, nämlich ein gewaltiger Besucherandrang, wird im zunehmenden Masse zum Menetekel für die Kunst. Auch ohne ungebetene Badegäste wird der berühmte Trevi-Brunnen abgenutzt. Nach jeder Nacht ist der umliegende Platz ein einziger Müllhaufen. Im Kolosseum wird gepicknickt, die Ausgrabungen in Pompei mit Herzchen und Datum versehen. Altehrwürdige Kirchenportale dienen als Fußballtor für den Kicker-Nachwuchs und aus den Kirchen selbst verschwinden Wandgemälde und Kelche von Altären.


Im Petersdom wurde vor einigen Jahren die berühmte Pieta von Michelangelo von einem Mann mit dem Hammer beschädigt. seither steht die Statute hinter Panzerglas. Überall wird eingezäunt und abgegrenzt, die Loggia auf der Piazza della Signoria in Florenz, die Antonius-Säule im Herzen Roms. Aber auch das alleine reicht nicht. Neben Touristen sind es vor allem Witterungseinflüsse, die den Kunstschatz ständig bedrohen. Und da helfen auch die strengsten Bussen für die Brunnenbeschädiger nichts.

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