Autofahrer

"Was sind sie doch für tolle Autofahrer" – ein Italiener lobt die Deutschen


Eine Glosse von KARL HOFFMANN

„Was sind die doch für tolle Autofahrer - come guidano bene“, so schreibt der italienische Kollege Ottone im Wochenmagazin der großen Tageszeitung Repubblica. „Sie fahren zwar schnell, aber wenn sie einen Langsameren vor sich haben, dann gibt es kein Blinken, um die Spur zu räumen, sondern es wird abgebremst und diszipliniert gewartet, bis der Vordermann den Fahrstreifen freigibt“. Welch Fernstraßen-Schlaraffenland mag das wohl nur sein, fragt sich der Leser gerührt. Und es fließt noch entzückter aus des Journalisten Feder: „Wer links fährt, der tut das nur um zu überholen und kaum hat er sein Geschäft vollbracht, reiht er sich schnell rechts ein, betätigt dazu auch noch höflich den Blinker, um dem Hintermann mit aller Deutlichkeit seinen guten Willen anzuzeigen, den Überholvorgang so schnell wie möglich abzubrechen. Manchmal sieht man Autofahrer, die nur kurz nach rechts ausweichen, den Hintermann elegant vorbeilassen und dann wieder zum Überholen ausscheren. Das, so steht es Schwarz auf Weiß, wirkt dann wie ein Menuett.“


Diesen stillen Austausch von Höflichkeiten hat der Autor selbst erlebt, aber nicht auf den hauseigenen Autobahnen südlich des Brenner, sondern, man mag’s kaum glauben, in Deutschland. Auf teutonischem Asphalt regiert der gute Ton. Vor Jahren war Ottone Auslandskorrespondent in Bonn. Damals, so seine Einschätzung, waren die Deutschen noch ein Volk mit militärischen Hau und der unschönen Eigenschaft, sich überall ausbreiten zu wollen. Jetzt sind sie Wohlstandsbürger und statt Kriege anzuzetteln, wollen sie es sich lieber gutgehen lassen. Einst herrschte ein raues Klima auf den Straßen zwischen Lindau und Lübeck, weil die Deutschen eher arm waren. Heute haben sie Geld und sind deshalb höflicher geworden. Früher diente das Auto zur Selbstbestätigung, heutzutage nur noch als Verkehrsmittel. Lob in derart hohen Tönen, noch dazu aus dem Munde eines Italieners, lässt sich nur erklären, wenn man sich genauer ansieht, was auf Italiens Straßen abläuft.


Die einst als schnelle, aber geschickte und unaggressive Fahrer gelobten Südländer scheinen sich all jene schlechten Eigenschaften zugelegt zu haben, die einst den Deutsch nachgesagt wurden. Sie blinken ständig von hinten, klagt Autor Ottone, fahren einem so nahe hinter auf, dass man glaubt, sie wollten einen auffressen, überholen von rechts, tun als gäbe es überhaupt keine Geschwindigkeitsbegrenzung und kehren ab 100 PS den Macho hervor. Angeberei und Terrorismus nennt Ottone den Fahrstil seiner Landsleute, die sich mal ein Beispiel an deutschen Autofahrern nehmen sollten. Na ja, es kommt wohl drauf an, an welchen! 


Oktober 1997

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