Ein Monstrum von Schreibmaschine

Schreibmaschine wird es von den Touristen genannt, welcher Rom-Besucher kennt nicht das weiße Monstrum, das sich vor der Piazza Venezia erhebt, das „Vittoriano“. Aber während die Ruinen der alten Römer gleich dahinter längst begehbar sind, blieb der gigantische Sperrriegel viele Jahre dem Besucher verschlossen. Und er verfiel langsam zur Ruine.


Ein Experiment nennt der Kulturminister deshalb die Wiederöffnung des Vittoriano, des umstrittensten und unbeliebtesten aller Denkmäler auf italienischem Boden. Hässlich war es schon bei seiner Einweihung im Jahr 1911, vor allem aber verkörperte es die maßlose Prunksucht einer längst zum Teufel gejagten Monarchie, gefiel dafür später manchem Faschisten und gilt heute noch als „altare della patria“, Altar des Vaterlandes, der aber für die Italienern deswegen kein heiliger Ort ist. Patriotisch fühlen sie sich viel mehr nach einem Sieg der nationalen Fußballmannschaft als im Armeemuseum. Und gerade deshalb wird das Vittoriano auch weiterhin ungeliebt bleiben.


Nach einer langen Diskussion, was wohl mit dem zerbröselndem Monument geschehen soll gab es eine Reihe von Vorschlägen: in die Luft sprengen, rosa anmalen oder wenigstens ein Kulturzentrum nach dem Vorbild des Centre Pompidou in Paris schaffen – nichts blieb davon übrig. Die probeweise Öffnung in den ersten beiden Novemberwochen und in der zweiten Dezemberwoche führt dem Besucher erneut die eigentliche Bestimmung als Symbol militärischer Größe vor Augen. Die Entscheidungsträger im Verteidigungsministerium, Besitzer des Bauwerks, laden vor den Altar des Vaterlands, an das Grab des unbekannten Soldaten, zum heiligen Ort der Fahnen und ins Marinemuseum. Alternativ ein Rundgang mit Besichtigung des hässlichen Reiterstandbildes von Vittorio Emmanuele.


Viel mehr lässt sich im Augenblick nicht besichtigen, den erst ein Zehntel der Restaurierungsarbeiten sind bisher erledigt. Vor allem das obere Stockwerk, von dem aus man getragen von 16 riesigen Marmorsäulen einen herrlichen Blick auf die Stadt genießen könnte, bleibt vorerst zu. Von dort bröckelt in großen Fladen der Putz ab. Immerhin kann sich der Besucher schon jetzt vergewissern, dass das Vittoriano von innen nicht viel besser ist als von außen.

August 1988, Karl Hoffmann

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