"Traffico" – denn in Italien verkehrt man furchtbar gerne ...


Eine Glosse von KARL HOFFMANN

Traffico ist das italienische Wort für Verkehr – ein enorm wichtiges Wort, denn in Italien verkehrt man furchtbar gerne. Untereinander und mit Freunden, in den Städten, auf dem Land und vor allem an den Feiertagen. Zum jüngsten Osterfest waren 20 Mio Italiener Teil eines Riesenverkehrs, der sich stellenweise selbst zum Erliegen brachte. Dafür ist man ja auch unterwegs. Das liebste Fortbewegungsmittel der Italiener ist der Ferrari, dann folgt der Bugatti, dessen Neuausgabe dieser Tage in Norditalien Premiere hatte und schon für 800.000 Mark zu haben ist - nein, nicht die ganze Fabrik, nur der Wagen und zwar einer.
Einst fuhren die Italiener, so sagt man, flott und sicher.


Heute fahren sie oft zu schnell und ihre Unfallstatistik ist kaum besser als die in Deutschland. Der Verkehr hat gigantische Ausmaße angenommen, kein Wunder, denn schließlich gibt’s bald 30 Millionen Fahrzeuge im Land, auf je zwei Bürger kommt ein Auto. Und das sind nicht nur Kleinwagen. 80 Prozent des italienischen Güterverkehrs wird auch auf der Straße abgewickelt. Vom Brenner bis nach Sizilien reicht der Zug der Brummis, die wegen ihres entschlossenen Ausscherens zum Überholen zum Alptraum des PKW-Fahrers geworden sind. In den oft engen Städten ist der Verkehr so dicht geworden, das oft gar nichts mehr geht. In Neapel halten sich Staus derart hartnäckig, dass inzwischen ein Funktelefonservice für Stauopfer erfunden worden. Wer nicht mehr rechtzeitig nach Hause oder ins Büro kommt, kann so gegen Gebühr mal schnell telefonieren.


Und eng geht es zu, Platz wird keiner verschenkt, oft genug reduziert er sich bis hin zum Blechschaden, aber das nimmt man gelassen hin, denn die Versicherungen zahlen sowieso nur das Nötigste. Wer Ärger mit dem eigenen Vehikel vermeiden will, der vertraut sich dem öffentlichen Nahverkehr an. Drei Kreuze wären vor Fahrbeginn von Vorteil riesige und laute Busse drängen sich rumpelnd durch enge Gassen, schneiden Kurven und stürzen sich mit ihrer geballten Ladung ins Getümmel. Busfahrer schauen nur nach vorne, wechseln Spuren, blockieren Kreuzungen und bremsen laut quietschend – eben genau wie alle anderen. Beweglich sind in solch einem Verkehrsgewühl nur die Zweiradfahrer, die in Italien oft akrobatische Fähigkeiten entwickelt haben.


Freche Vespafahrer und Formel-Eins-Mofas nutzen die winzigsten Lücken im Fahrzeugstau um vorwärtszukommen und Spaß macht es offensichtlich auch noch. Nur eines ist noch schöner Fliegen, wenn es geht und nicht gerade gestreikt wird. Grundregel für jede Art von Verkehrsteilnahme in Italien: nur nicht aufregen. Oder pazienza, wie man hierzulande sagt.


April 1992

Noch mehr Glossen lesen