Schwarzhandel Fortsetzung

Gigantischer Schwarzhandel – die Fortsetzung


Die Operation Cheque to Cheque führt nach und nach zu beängstigend konkreten Ergebnissen. Vor 8 Monaten begannen Ermittlungsrichter in Castellamare bei Neapel, einer internationalen Organisation auf die Spur zu kommen, die sich mit allerlei illegalen Geschäften von gigantischem Ausmaß befaßte. Gestern nun ein gewaltiger Fund. In zwei Schließfächern einer Filiale der Banca di Roma in der bei Venedig gelegenen Stadt Mestre fanden sich nicht nur Konten mit insgesamt drei Mrd. Mark Guthaben, eingezahlt in Lire aber auch in Dollar , amerikanische wie australische, sondern sogar Material, das zum Bau von Atomwaffen verwendet wird. Osmium, ein Platinmetall, das schwerste bekannte Element, fast so selten wie Platin. 30 Gramm davon befanden sich in einer Ampulle im Schließfach in Mestre, die Ermittler glauben, dass es aus Russland stammt und dass möglicherweise der Extremistenführer Schirinovski im Osmium-Handel mitgespielt hat. Im Augenblick ist die Polizei dabei, ein weiteres Konto in Rom zu inspizieren. Cheque to Cheque wird zum sensationellen Dauerkrimi.

Angefangen hatte alles mit einem angeblichen Selbstmord. Vor einiger Zeit fand man Vincenzo Ferraro, Hauptmann des militärischen Geheimdienstes, aufgehängt an einem Handtuch 80 Zentimeter über dem Erdboden, ein suspekter Tod, der nie ganz geklärt wurde. Klärung dagegen brachte Ferraros Freund Francesco Elmo, der im Lauf der Untersuchungen von der Polizei aufgespürt wurde und eine schier unglaubliche Geschichte erzählte, von internationalem Waffenhandel, Devisenschmuggel, von Mafia und russischen Extremisten, vom Bürgerkrieg in Somalia und katholischen Prälaten, die riesige Geldsummen verschoben haben sollen. Die zuständigen Ermittlungsrichter in Castellamare di Stabia, einer Vorstadt von Neapel, staunten nicht schlecht. Mit Dieben und Gauner der Mafia hatten sie zwar reichlich Erfahrung, aber ein derart dicker Fisch war ihnen noch nie ins Netz gegangen.


Nach und nach kamen sie einem internationalen Geflecht von ungeheurem Ausmaß auf die Spur. In Castellamare, und zwar im Hinterzimmer einer Fischhandlung, befand sich die Zentrale, von der aus in mehreren Städten Italiens, von Messina bis nach Mailand der italienische Teil der Geschäftsverbindungen gepflegt wurde. Ein, wenn man so will, zweites, unsichtbares Netz aus Geschäftsleuten, Banken, Honoratioren und Politikern, die die offiziellen Kanäle für Handel und Wandel aus leicht erfindlichen Gründen meiden wollten. Über mehrere Mittelsmänner konnte man zuverlässig von einem Land zum anderen Devisen tauschen, ohne dabei den Zollbehörden Rechenschaft ablegen zu müssen. Der Handel mit verbotenem Material, von Waffen bis hin zu radioaktiven Stoffen, funktionierte ebenso - als ein zweiter Geschäftszweig . Und schließlich konnten da Waffen ungehindert jede Grenze passieren, weil Bestellung, Lieferung und Bezahlung dank der Protektion von höheren Stellen ohne jede offizielle Kontrollen abliefen. Die Ermittlungsrichter in Süditalien haben sich langsam durch das Gewirr dieser internationalen Organisation ohne feste Adresse, ohne Firmenschild und vor allem ohne Skrupel hindurchgearbeitet.


Bisher wurden auf italienischer Seite zwei Dutzend Mitarbeiter verhaftet, unter ihnen ein somalischer Geschäftsmann, der Waffen in seine Heimat verschoben haben soll und im Verdacht steht, den Tod einer italienischen Fernsehjournalistin vor zwei Jahren in Somalia mitverursacht zu haben, weil sie dem Waffenhandel auf die Spur gekommen war. Die italienischen Ermittler haben sich jedoch auch außerhalb der Landesgrenzen umgesehen. Sie halten den russischen Nationalistenführer Wladimir Shirinowski für ebenso beteiligt, wie den spanischen Erzbischof Richard Maria Charles, der Wertpapiere über 100 Mio. Dollar verschoben haben soll, und damit die Vatikanbank IOR möglicherweise ohne ihr Wissen zum Handlanger für schmutzige Devisengeschäfte gemacht haben könnte. Der jüngste Fund des zum Atomwaffenbau nötigen Metalls Osmium in einem Schließfach bei Venedig bestätigt, was bisher kaum jemand für möglich gehalten hat: um die halbe Welt , von Russland bis nach Afrika, wurde geschoben und getrickst, zur Not auch getötet, schlimmer als in jedem Agentenroman.


Juni 1996

Zurück zu den Artikeln
Share by: