Berühmte Gemälde und alle gefälscht

Zu den Urhebern der Ausstellung „Il museo dei musei“ zählt einer, der sich mit historisch Kriminellem gut auskennt: Umberto Eco.


Der Palazzo Strozzi in Florenz beherbergt seit einigen Tagen mehr als einhundert berühmte Gemälde – und alle sind sie falsch. Da hängt zum Beispiel das berühmte Martyrium des heiligen Jakob, original gemalt von Giovanni Battista Piazzetta im Jahr 1722. Das Exemplar hier ist keine fünf Jahre alt und gemalt hat es ein völlig unbekannter Herr Ferroni. Gemälde von Caravaggio, Grünewald, und Velasquez, die irgendein Herr Müller, Meyer, Huber alias Signor Rossi, Bianchi oder Neri täuschend echt nachgemacht haben.


Da hängen sie nun und stellen dem Besucher die Gretchenfrage: was macht eigentlich ein wirkliches Kunstwerk aus und woran erkennt der Betrachter, dass er vor einem steht, das nur so tut als ob? Und vor allem: wie bewertet man ein gefälschtes Meisterwerk, das sich offensichtlich in nichts vom Original unterscheidet, mit der gleichen Raffinesse und handwerklicher Genialität nachgemalt wurde, aber eben nur nachgemalt ist? Der Besucher muss sich vor den kopierten Meisterwerken einigen unangenehmen Fragen stellen. Was zum Beispiel macht die Faszination des Originals aus, vor dem besonders in dem an Kunstwerken so reichen Florenz manchem Besucher gar die Sinne schwinden?


Und warum wird die Kopie als minderwertig eingestuft? Was macht den Unterschied zwischen Echt und Falsch aus, obwohl äußerlich praktisch nicht voneinander zu unterscheiden? Oder ist es das Bewusstsein, dass das eine bestenfalls ein paar Tausend, das andere aber Millionen wert ist? Es dämmert, dass der Mensch zweischneidig denkt und empfindet. Ähnlich wie mit Original und Kopie ist es doch auch mit dem Dürer in der Pinakothek zuhause, der eher unbeachtet bleibt während man ähnliche Meisterwerke in fremden Städten angeblich unbedingt gesehen haben muss.


Im Umkehrschluss stellt sich für die Florentiner Ausstellung die Frage: soll man so weit reisen, nur um sich ein paar billige Kopien anzusehen? Wohl ja, denn es gilt ein Wort von Jean Rostand: Immer noch besser eine echte Bewunderung für ein falsches Meisterwerk als falsche Bewunderung für ein echtes. 

August 1988, Karl Hoffmann

Zurück zur Übersicht